Holde Overmann
 

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Kunsttherapie und Scherenschnitte
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mit dem Scherenschnitt

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Scherenschnitte für Kinder

         


Eine alte Kunst neu entdeckt

Auszüge :
Geschnittene Welt – der Scherenschnitt
Eine Widmung an Holde Overmann
Abschlussarbeit der Frauenstudien
Schwerpunkt: Umwelt und Gesundheit
Universität Bielefeld, November 1999

Symbole machen uns die Welt vertraut

Die Etymologie der deutschen Sprache, siehe Duden Nr. 7, läßt erkennen, daß ein Symbol etwas Zusammengesetztes ist. Verena Kast sagt zum Symbol:
„Alle Symbole sind sichtbare Zeichen einer auch unsichtbaren ideellen Wirklichkeit. Beim Symbol sind also immer zwei Ebenen zu beachten: In etwas Äußerem kann sich etwas Inneres offenbaren, in etwas Sichtbarem etwas Unsichtbares, in etwas Körperlichem das Geistige, in einem Besonderen das Allgemeine. Wenn wir deuten, suchen wir jeweils die unsichtbare Wirklichkeit hinter diesem Sichtbaren und ihrer Verknüpfung“. (Kast, V., 1994, S. 19 - 2O)

Aus der nachfolgenden Abhandlung von Helmut Barz aus dem Jahr 1979 mit dem metapherhaften Motto „Der Mensch ohne Hand oder die Zerstörung der menschlichen Ganzheit“, gebe ich folgendes Zitat:
Es besteht eine unbegreifliche Korrespondenz zwischen der uns umgebenden Natur und unserer Seele. Denn die Natur kann ja von uns einerseits nicht anders als gemäß den Möglichkeiten unserer Seele wahrgenommen werden, aber andererseits haben sich zweifellos die Organe unserer Wahrnehmung an eben dieser Natur gebildet. Zum einen gilt, daß die sinnliche Welt uns nur insofern zugänglich ist, als wir uns selbst in sie hineinprojizieren, zum anderen aber auch, daß unser Unbewußtes uns nur insoweit zum Bewußtsein kommen kann, als die sinnliche Welt uns genügend Gestalten darbietet, in die wir Unbewußtes hineinprojizieren können“. (Barz, H., 1979, S. 99)

Besonders Johann Wolfgang v. Goethe hat sich mit diesem Phänomen in den „Maximen und Reflexionen“ befaßt: So heißt es einerseits: „Suchet in euch, so werdet ihr alles finden, und erfreuet euch, wenn da draußen, wie ihr es immer heißen möget, eine Natur liegt, die Ja und Amen zu allem sagt, was ihr in euch gefunden habt!“ In der Einleitung zum „Entwurf einer Farbenlehre“ ist zu lesen: „ Das Auge hat sein Dasein dem Licht zu danken. Aus gleichgültigen tierischen Hülfsorganen ruft sich das Licht ein Organ hervor, das seinesgleichen werden; und so bildet sich das Auge am Lichte fürs Licht, damit das innere Licht dem äußeren entgegentrete.“ (Goethe, J.W., zitiert in: Barz, H., 1979, S. 100)

Schwarz und Weiß
Hermann Hesse hat die Schwarz/Weiß-Symbolik in seinem Gedicht „Magie der Farben“ eindrücklich beschrieben:
„Weiß zu Schwarz und Warm zum Kühlen, fühlt sich immer neu gezogen, ewig aus chaotischem Wühlen, klärt sich neu der Regenbogen.“ (Hesse, H., zitiert in: Ray, C. 1994, S. 7)

Demnach stehen sich im Scherenschnitt zwei Farb-Pole gegenüber bzw. zwei gegensätzliche Farben. Schwarz und Weiß. Scherenschnitt ist ein Spiel mit Polaritäten. Künstlerisches Bildbeispiel Anhang S. 27
Clarissa Ray spricht in „Die persönliche Magie der Farben, Symbolkraft, Psychologie und Heilenergie“, von den „unbunten“ Farben. (1994, S. 116) Sie sieht „Schwarz“ als Ausdruck für die absolute Grenze, für die Idee des Nichts, für Abwehr und Verdrängung von Reizeinflüssen, für Verneinung und Verzicht. Tiefenpsychologisch gesehen, ist Schwarz das Bild des „Schattens“, unserer Doppelnatur. Dennoch ist nicht eindeutig, ob Schwarz nur ein Ausdruck von Gefühlskälte und Verschlossenheit ist. Für einen Menschen im Zustand des inneren Gleichgewichts kann Schwarz auch gleichbedeutend mit einem konstruktiven Ruhezustand sein. Vielleicht brauchen wir Schwarz, um uns - wie in einem „Vakuum“, von der allgemeinen Über-Fülle zu erholen. Ray setzt Schwarz als Gegenpol nicht nur zu Weiß, sondern zu allen bunten Farben. Der Wunsch nach Schwarz kann für sie Ausdruck für das Bedürfnis nach der „ewigen Wiederkehr“ sein und den Energien eine gewisse innere Erneuerung bringen.

Weiß, das eigentlich auch keine Farbe ist, sondern (eindeutiger noch als sein Gegenpol „Schwarz“) nichts als die Synthese aller Farben, gilt als die vollkommenste Farbe. Sie ist das Sinnbild für äußere Sauberkeit und innere Reinheit. Wie sein Gegenpol Schwarz läßt sich Weiß nicht nur als Synthese, sondern ebenfalls als die Abwesenheit von Farbe betrachten und kann damit, wie Schwarz, am Anfang und am Ende eines Zyklus = (Kreislauf) stehen. (Vgl. Ray, 1994, S. 116 - 118)

Riedel hat 1983 ein Buch mit dem Titel „Farben in Religion, Gesellschaft, Kunst und Psychotherapie“ geschrieben. Sie ordnet Weiss in die unbunten Farben ein, als Grenzwert von Farbigkeit, als Fülle ungebrochenen Lichts. Weiß ist Ausdruck des Absoluten, des Anfangs und des Endes, der Fülle und der Leere, sowie deren Vereinigung. Als die Farbe, die noch alles in sich enthält, hat Weiß ein Potential von Offenheit und Freiheit. Als Farbe, die die bunte Fülle des Lebens auslöscht, bedeutet Weiß Askese, Kasteiung und Kälte. Als Farbe des Lichts zeigt Weiß Erleuchtung, Verklärung, Auferstehung und Vollkommenheit an. (Vgl. Riedel, 1983, S. 179 - 180)

Licht und Schatten
Voraussetzung für das optische Aufnehmen der Form und Farbsymbolik ist das Licht. In einer Veröffentlichung von Jacob Liberman mit dem Titel:
„Die heilende Kraft des Lichts“ beschäftigt er sich mit dem Einfluß des Lichts auf Psyche und Körper. Im Kapitel „Licht und Nahrung für den Körper“ geht er auf die Bedeutung der Augen für Gesundheit und Wohlbefinden ein.
Er spricht von einem Grundnahrungsmittel LICHT, da die Sehfähigkeit das eigentliche Navigationsinstrument des Menschen ist, und die Augen mehr Informationen pro Zeiteinheit aus einem räumlich größeren Ausschnitt der Welt als jeder andere unserer Sinne aufnehmen. Das durch die Augen eintretende Licht dient nicht nur zum unmittelbaren Sehen, sondern wird gleichzeitig an den wichtigsten Teil des Gehirns, den Hypothalamus geleitet.
Das eintretende Licht erfüllt visuelle sowie auch nichtvisuelle Funktionen, denn das Nervensystem und das endokrine System werden direkt vom Licht angeregt und reguliert. (Vgl. Liberman, 1991, S. 42 - 44) An einer anderen Stelle sagt Liberman, daß Licht eine ernergetische Erfahrung ist und allen menschlichen Interaktionen und physiologischen Funktionen ein Schwingungscharakter zu Grunde liegt. Daher bewirken verschiedene Aspekte oder Frequenzen dieser Energie unterschiedliche Ausformungen auf Stimmung, Verhalten und Vitalfunktionen.
„Jede Frequenz bzw. jede Farbe des Spektrums hat einen Nährwert und dient als Nahrung für die Entstehung und kontinuierliche Weiterentwicklung bestimmter Aspekte unseres Seins.“ (Liberman, 1991,
S. 32)

         
      Bild „Meeresraum"  
   
 

Er spricht weiter von einer wirklichen Medizin der Zukunft in der Beziehung zwischen Geist, Körper und Seele. Sie wird Bereiche in uns erwecken, die bisher geschlafen haben, und uns auf diese Weise die Werkzeuge in die Hand geben, die unser Körper zur Heilung braucht. Licht ist ein Symbol für die Balance zwischen außen und innen, es nimmt Einfluß auf die Zellphysiologie des Menschen und evtl. sogar auf die menschlichen Beziehungen. Wer sich mit einer Energiequelle befaßt, die gleichzeitig sichtbar und unsichtbar ist, wird daran erinnert, daß beide Seiten des Lebens - das Sichtbare und das Unsichtbare - gleichermaßen wichtig für unsere Entwicklung, unser Wachstum sind. Was wirklich in unserem Leben geschieht, wird oft erst dann verständlich, wenn es in einer verwandelten Form auftritt, die von der alltäglichen Erscheinung abweicht. (Vgl. Liberman, 1994, S. 262 - 265)

Licht ist Leben - einfacher läßt sich die Verknüpfung von Licht und Leben nicht beschreiben. Wo Licht ist - da ist Schatten. Mein Schatten ist immer dabei, kein Licht ohne Schatten. Der Schatten gehört zu mir. Alles, was Substanz besitzt, wirft einen Schatten. (Vgl.. meine Projektarbeit, 1995, S. 24) Und eben das ist es, was uns zu Menschen macht. Für den Schatten sind etliche Namen gebräuchlich: das verleugnete Ich, das niedere Ich, der dunkle Zwilling oder Bruder in Bibel und Mythos, der Doppelgänger, das verdrängte Ich, Alter Ego, das Es. Wenn wir mit unserer dunkleren Seite konfrontiert werden, dem Schatten begegnen, greifen wir auf Metaphern zurück: z.B. Dämonen begegnen, die dunkle Nacht der Seele erleben, Midlife-crisis, u.a.m. erleiden.

Weil der Schatten unbewußt ist, können wir nicht immmer wissen, wann wir unter seinem Einfluß stehen. Der Schatten-Begriff ist aus den Entdeckungen Sigmund Freuds und C.G. Jungs abgeleitet, als Kennzeichnung von nicht anerkannten Wünschen und verdrängten Anteilen der Persönlichkeit. Der Schatten steht dem sehr nahe, was Freud als das Verdrängte bezeichnete. Heute versteht man unter „Schatten“ den Teil der unbewußten Psyche, der dem Bewußtsein am nächsten steht, aber doch nicht ganz von ihm akzeptiert wird. Für Jung und seine Nachfolger bietet die Psychotherapie eine Art Erneuerungsritual, durch das die Schatten-Persönlichkeit bewußt gemacht und assimiliert werden kann; dadurch wird ihr hemmendes oder destruktives Potential vermindert, und eingesperrte positive Lebensenergien können freigesetzt werden. (Vgl. Zweig, C., Abrams J., 1993, S. 13 - 29)

Eine Möglichkeit der Sinnmanifestation von Symbolen liegt in den Bildern aus dem Unbewußten. Mit Bildern dieser Art kommen wir der Verwendung der Symbole als heilender und wirkender Kraft näher. Nach Jungs Auffassung kann das Reich des Unbewußten, sei es kollektiv oder persönlich, in der Kunst durch Bilder und Symbole repräsentiert sein. Diese Bilder und Symbole können sich in Gemälden Skulpturen, Gedichten, in Tanz und Musik, in der Literatur und vielen anderen Formen zeigen; sie sind Äußerungen, die von der kreativen Seite des menschlichen Wesens herrühren. Die Inhalte wurzeln im Unbewußten, dem Sitz der Kreativität. Bilder des kollektiven Unbewußten sind archetypisch, und sie berühren uns in Träumen und Phantasien, in Mythen und in der Religion. Wenn sie auftauchen, sind wir oft irgendwie „gerührt“, als ob wir wüßten, daß sie zu uns gehören, daß sie wahr sind und daß sie eine Bedeutung in sich tragen, die wir nicht erklären können. (Vgl. Furth, 1997, S. 27 - 28)

In der gleichen Quelle S. 37 heißt es wörtlich:
„Ein Symbol des Unbewußten steht und wirkt immer in einer ausgleichenden oder ergänzenden Beziehung zum Bewußtseinszustand der Psyche, wie er sich zu einem bestimmten Zeitpunkt des Lebens zeigt. Wenn die bewußte Einstellung einseitig ist, so sehr mit einem einzelnen Lebensaspekt beschäftigt, daß ein anderer ausgeschlossen wird, dann taucht diese ausgleichende Energie als ein Symbol aus dem Unbewußten auf. Ein ausgleichendes Symbol bezeichnet das Vernachlässigte entweder in einem Traum oder einer Phantasie oder in einem Bild; es versucht, die Aufmerksamkeit des Bewußtseins dafür zu erwecken und einen Wandel in der bewußten Einstellung zu fördern. Das vernachlässigte Gebiet fordert immer in irgendeiner Weise Aufmerksamkeit. Insofern hat das Symbol einen heilenden Einfluß und strebt nach Gleichgewicht und Ganzheit.“ (Furth, G.M., 1997, S. 37)

Die richtige Beziehung zum Schatten eröffnet uns die einzigartige Möglichkeit, wieder Anschluß an unser verschüttetes Potential zu finden. Durch die Schatten-Arbeit (mit diesem Begriff bezeichnen wir das kontinuierliche Bemühen, eine schöpferische Beziehung zum Schatten zu entwickeln) können wir uns selbst besser kennenlernen und daher auf echte Weise akzeptieren, urplötzlich aufbrechende negative Emotionen ‘entschärfen’, das Ausmaß von Scham- und Schuldgefühlen im Hinblick auf unser negatives Empfinden und Handeln reduzieren. Durch diese Selbsterforschung können wir unsere direkte Kommunikation in Ordnung bringen. Durch schöpferische Imagination in Träumen und Ritualen, beim Malen und Schreiben können wir den verleugneten Teil unseres Ich uns wieder zu eigen machen. Durch schöpferische Imagination in Träumen und Ritualen, beim Malen und Schreiben können wir den verleugneten Teil unseres Ich uns wieder zu eigen machen.

Häufig macht sich der Schatten besonders in der Lebensmitte ganz energisch bemerkbar. Unsere Bedürfnisse und Wertvorstellungen ändern sich, machen vielleicht sogar eine regelrechte Kehrtwendung. Wir sind aufgefordert, mit alten Gewohnheiten zu brechen und schlummernde Talente zu entwickeln. Der innere Ruf nach einem Abstieg in unsere Unterwelt äußert sich oft als Depression. Er läßt sich übertönen durch Arbeitsbesessenheit, Ablenkungen, Antidepressiva - lauter Mittel, die unser Gefühl, das Ende einer Sackgasse erreicht zu haben, ein wenig beschwichtigen. Dann aber entgeht uns die Botschaft, die in unserer Niedergeschlagenheit liegt.

Dem Schatten begegnen, das verlangt, die Gangart des Lebens ein wenig zu verlangsamen, auf die Winke des Körpers zu achten, uns Zeiten des Alleinseins freizuhalten, in denen wir den Botschaften aus dieser dunklen Welt nachspüren können. (Vgl. Zweig, Abrams, (Hrg.), 1993, S. 14 - 29)